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Die Band

"Die 3 Nikoläuse" - Körper aus Stahl, Stimmen aus Gold, Charme aus Perlmutt

mit Frank Star, Ludger Kniesel, ab 1995 Thomas Kniesel und von 1991 bis 2008 Christian Heidbrink

"Unerhört!" rief der Herr im dunkelgrünen Lodenmantel empört, als wir unser letztes Lied beendet hatten. "Was Sie hier machen ist eine Pervertierung des Nikolaus'!" Der kleine Junge an seiner Hand wusste nicht genau, ob er lachen oder weinen sollte, als ich ihn über meinen zerzausten weißen Bart hinweg freundlich anlächelte. Zu erbost war sein männlicher Begleiter. "Sie können hier nicht zweimal als Nikolaus herumlaufen, es gibt doch nur einen!" Frank und ich schauten uns verdutzt an während der Mann mit dem Kind in der Menge der Weihnachtseinkäufer verschwand. Wir mussten lachen und erzählten Christian, der etwas weiter weg seine Gitarre einpackte, von der Begegnung. Als wir später bei mir am Küchentisch saßen, tranken wir voller Stolz auf unsere Einnahmen ein Glas Sekt. Am meisten freuten wir uns aber über die Notiz auf dem abgerissenen Zettel, den wir zwischen den Münzen fanden: "This day was my birthday and you made my day!"

In diesem Jahr - es muss 1992 gewesen sein - hatten wir zum zweiten Mal in der Adventszeit in Münsters Innenstadt musiziert. In einer Ferienfreizeit auf Ameland, als wir mal wieder mit den Kindern stundenlang gesungen hatten, wurde die Idee geboren, in Münsters Fußgängerzone unsere Sangeskünste zu präsentieren. Wir wollten ausprobieren, was die Menschen wohl an Geld in unsere Gitarrenkoffer werfen. Wir warteten damit allerdings bis kurz vor Weihnachten. Unser Gedanke: Wenn wir als Nikoläuse verkleidet sind, erkennt man uns nicht so leicht. Es könnte ja peinlich werden.

Weil wir so viel Spaß dabei hatten, wiederholten wir das Ganze ein Jahr später. Im dritten Jahr schließlich fragte uns ein junger Mann, ob wir nicht Lust hätten, auf seiner Weihnachtsfeier, zu der er einige Freunde eingeladen hatte, zu musizieren. Wir willigten ein.

In gespannter Vorfreude und etwas nervös klingelten wir einige Tage später an einem Mehrfamilienhaus auf der Sentruper Höhe. Der Hausherr - er sah aus wie ein Student - steckte seinen Kopf durch die Tür, die er nur einen Spalt breit öffnete. "Psst! Kommt schnell hier hinunter!" flüsterte er und führte uns in einen Kellerraum, in dem Wäschekörbe, Waschmaschine und Trockner standen. "Ihr seid eine Überraschung und es wäre schön, wenn meine Gäste euch noch nicht sehen." Er verließ uns und wir mussten über eine Stunde warten. Allerdings versorgte er uns zwischendurch mit belegten Broten und warmen Getränken. Als wir schließlich dran waren, führte er uns in einen niedrigen Kellerraum, wo sich etwa 15 Menschen zu einem gemütlichen Weihnachtskaffeetrinken versammelt hatten. Wir begeisterten sie mit Hits und Evergreens. Und weil wir vorher überlegt hatten, was wir noch machen könnten, jonglierten wir mit brennenden Fackeln und spuckten Feuer. Das alles in wallenden Gewändern in einem etwa mannshohen Raum ohne Notausgang!

Das war unser erstes Engagement. Eigentlich hatten wir gar nicht die Absicht, regelmäßig aufzutreten. Beruf bzw. Ausbildung, Familie, Hobbies beanspruchten Zeit und Frank träumte mit seiner "richtigen" Band von einer Karriere als "ernsthafter" Musiker. Doch in den folgenden Monaten und Jahren gab es immer wieder Anfragen für Geburtstage, Hochzeiten, Firmenjubiläen etc. Dort waren dann wieder Menschen, die uns für die nächste Feier wollten.

"Wie heißt ihr eigentlich?" wurden wir gefragt. Wir hatten uns nie darüber Gedanken gemacht. Weil wir schnell antworten mussten, griffen wir auf die Presse zurück. Ein Fotograf hatte in der Weihnachtszeit unseren Auftritt in der Fußgängerzone festgehalten. Das Bild erschien montags im Lokalteil der "Westfälischen Nachrichten" mit dem Text: "Die Nikoläuse unterhielten die Passanten mit Oldies". Der Name "Die 3 Nikoläuse" war geboren. Den Namen behielten wir, auch wenn wir zwischenzeitlich zu viert auftraten. So sorgten wir zusätzlich für Verwirrung.

1995 bekamen wir eine Anfrage für eine Karnevalsfeier in Everswinkel. Wir waren wild kostümiert und präsentierten vier Songs. Obwohl unsere Nummer mit dem klassischen Karneval nicht viel zu tun hat, standen die knapp 400 Besucher auf den Stühlen.

Wir hatten Blut geleckt. Es war ein besonderes Erlebnis, auf Großveranstaltungen zu spielen. Die Entwicklung bekam eine ungeheure Dynamik, als wie uns 1996 beim Münsteraner Stadtfest beworben hatten - viel zu spät natürlich. Damals lag die Organisation noch nicht in den Händen von Steffi Stephan. Der zuständige Mitarbeiter der Stadt nahm mir meine "Bewerbungsunterlagen" ab und versprach, sie auf Abruf weiterzuleiten. Kurz danach erhielten wir eine Anfrage von einer Agentur, die mit der Deutschen Post zusammenarbeitete. So bekamen wir einen Auftritt auf dem Post-Truck und mussten nachmittags in mehreren Blöcken als Intermezzo zwischen den Info- und Werbespielen für Unterhaltung sorgen. Die Mitarbeiter und der Moderator - der im Übrigen heute noch nahezu täglich mit Reiseshows im Privatfernsehen präsent ist - waren nicht mehr sicher, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hatten, als sie uns mit unseren merkwürdigen Utensilien sahen. Aber nach unserem ersten Set waren sie so begeistert, dass wir nur zwei Wochen später in Köln beim Medienbürgerfest auf dem gleichen Truck, der an diesem Tag für "vox-television" unterwegs war, auftraten. Dieses Mal um 20.00 Uhr bei strömenden Sommerregen. Die Stimmung war grandios und wir fragten uns, was hier eigentlich passiert: Vier Männer, drei Gitarren, eine Trommel und 500 völlig durchnässte Kölner, die im Regen tanzen.

Wir wurden noch mehrmals von dieser Agentur für die Deutsche Post engagiert. Unter anderem für Auftritte in Weimar, Torgau und Leisnig. Wir lernten viele Menschen kennen und hatten sehr viel Spaß mit den Damen und Herren der Agentur, die immer wieder dabei waren. Für uns waren es Ausflüge. Gleichzeitig trafen wir oft auf dieselben Künstler, die davon ihren Lebensunterhalt bestritten: Bauchredner, Komiker, alte DDR-Schlagerstars.

Frank trug damals bei Auftritten meist ein gelbes T-Shirt mit dem Aufdruck "Telefonmann". Das lief dem Interesse der Post natürlich diametral entgegen, die zu dieser Zeit bemüht war, die Trennung zwischen Post und Telekom darzustellen. Dieses T-Shirt war sehr begehrt bei unserem vom aufkommenden Kapitalismus geprägten ostdeutschen Publikum. Und nach fast jedem Lied fragte jemand, ob er so ein shirt bekommen könne - natürlich als Werbegeschenk. Irgendwann wurde es dem Postverantwortlichen zu bunt und er verdonnerte Frank dazu, etwas anderes zu tragen. Frank tat dies nicht, selbstverständlich, sondern setzte sich zu allem Überfluss noch einen aufblasbaren Plastikschwan auf den Kopf, um den gerade aktuellen Schmachtfetzen "My heart will go on" aus dem Film "Titanic" zu interpretieren. Die Anfragen der Post blieben seit dem aus.

Dafür fuhren wir dann häufiger mit der Bahn ins Ruhrgebiet. Der Veranstalter der "Bierbörsen" hatte uns in Münster gesehen und uns engagiert, um als "walking act" die Menschen zwischen den Bierbuden zu unterhalten. Die Bahnfahrten nach Dortmund, Bochum oder Essen waren immer kleine Betriebsausflüge der "3 Nikoläuse". Auf unserem Konzert zum 10-jährigen Bestehen hatten wir ein Quiz veranstaltet. Die Gewinnerin und ihr Partner durften zusammen mit uns im Zug nach Dortmund fahren und dort den Tag auf der Bierbörse verbringen, bei freien Getränken natürlich. Der Chef der Bierbörse spielte mit und begrüßte sie mit einer großen Flasche Sekt. Während der Rückfahrt mit dem letzten Nachtzug nutzten wir jeden Zwischenstopp zu einem Kurzkonzert auf den Bahnsteigen. Zugführer und Mitreisende feuerten uns an, wünschten sich längere Aufenthalte und verabschiedeten uns überschwänglich in Münster/Hbf.

Irgendwann entdeckte uns der münstersche Karneval. Wir standen ein paar Mal auf der Bühne vorm Stadtweinhaus, um die Session einzuläuten oder bei der Prinzenproklamation mitzuwirken. Die vollmundige Ankündigung eines Aktivisten: "Ich bringe euch in alle Säle". bewahrheitete sich leider nicht - oder besser Gott sei Dank?

Mittlerweile sind wir in Münster fast überall aufgetreten, wo gefeiert wird. In Bars und Kneipen wie "Bunter Vogel" oder "Marktcafe", in Diskotheken wie "Depot" oder "gogo", in größeren Sälen wie "Brökers Speicher" oder Halle Münsterland und natürlich "open air" z.B. im Zoo, auf dem Hindenburgplatz und den Aaseeterrassen.

Selbst im "Tryptichon" am Haverkamp sollten wir auftreten. Es waren zunächst relativ wenige Gäste da, weil gleichzeitig Borussia Dortmund das Europapokalfinale gegen Juventus Turin in München gewann. Wir machten trotzdem unser Ding und spielten draußen auf dem Platz beim "Space-Gourmet". Ein absolut obercooles Publikum in Leder und mit viel Metall an diversen Körperstellen. Wir werden nie vergessen, wie wir mit diesen Menschen "Angel" von der "Kelly Family" sangen.

Etwas delikat gestaltete sich der Auftritt bei einer "Husch-Party" im "Jovel" in der alten Germania-Brauerei. In den Presseankündigungen war u.a. von einem erotischen Programm die Rede und wir waren sehr gespannt auf diesen Abend. Im Backstage-Bereich teilten wir uns einen Kühlschrank und das Bier darin mit einer lesbischen Cheerleader-Truppe. Wir hatten reichlich Durst. Bis uns der Moderator namens "Georginia" zu unsrem Auftritt abholte, war wenig Erotisches passiert. Wir spielten unsere Songs und am Ende des Sets fühlte sich Frank genötigt - quasi um dem Programm doch noch einen erotischen Anstrich zu verleihen - zu "I'm just a gigolo" beim Verlassen der Bühne seinen Slip ganz kurz zu lüften und die linke Pobacke ins Scheinwerferlicht zu halten. Vor allem das männliche Publikum war aus dem Häuschen. Am nächsten Morgen wurde Frank von seiner Mutter aus dem Bett geklingelt. Sie war beim Bäcker heute besonders charmant bedient worden und stand nun etwas irritiert mit der "Münsterschen Zeitung" vor der Tür. Mit hochrotem Kopf las Frank im Lokalteil die Schlagzeile: "Ein kleiner Strip fast in Ehren" und weiter "…der Moment reichte, um die Temperatur im Jovel noch ein paar Grad steigen zu lassen."

Als der Alte Steinweg anfing mit der Aktion "1 mal ausgehen - 8 mal feiern" (8 Bands in 8 Kneipen) spielten wir im "Zodiac" - heute "Metro". Der Laden war proppevoll, so dass wir die großen Scheiben zur Mauritzstraße hin aufschoben. Es bildete sich eine riesige Traube von Menschen auf der Straße. Als die Busse und PKW nicht mehr durchkamen, beendete die Polizei das Konzert.

2003 startete der Folk-Club Münster einen Musik-Wettbewerb: "Ein Lied für Münster". Wir nutzten die Gelegenheit und nahmen teil. Frank hatte einen Gassenhauer mit dem Titel "Promenadenmischung" geschrieben. Der Wettbewerb fand im Bennohaus statt. Wie beim "Grand Prix de la Chanson" traten alle 15 Interpreten nacheinander auf und anschließend gab es einen Schnelldurchlauf in umgekehrter Reihenfolge. Wir gewannen den Publikumspreis - die Jury entschied sich für einen anderen Titel. Das Lied veröffentlichten wir auf CD. Und weil ein Lied etwas wenig ist, schrieb Frank noch einen zweiten Song, sozusagen die B-Seite, mit dem Titel "Kulturbeutel". Mittlerweile ist die Auflage komplett vergriffen.

Geprägt von den verschiedensten Einflüssen - die Beatles, Leningrad Cowboys, Helge Schneider, Element of Crime u.a. - entwickelte sich unsere Nummer immer weiter: Parodien, Situationskomik und wilde Action auf der Bühne. Und immer wieder stellt irgendjemand die Frage: "Was macht ihr eigentlich?" Wenn wir das so genau wüssten! "Lagerfeuer-Musik"? "Musiksport"? Unsere Auftritte sind nur schwer zu beschreiben. Keiner ist wie der andere und es entsteht immer etwas Neues im Zusammenspiel mit den Menschen, die dabei sind. Man muss es erleben. Vielleicht trifft es MZ-Feuilletonist Günther Moseler, der nach einem Weihnachtsauftritt im "Gassi" schrieb: "An diesem Abend war das Leben ein Rausch!"

Letzten Freitag machte ich mit einigen Freunden eine Tour durch Münsters Kneipen. Da auch jüngere dabei waren, landeten wir schließlich in der "Davidwache" im Kuhviertel. Um ein Uhr hörte ich plötzlich unsere Stimmen aus den Lautsprechern. Ungläubig blickte ich mich um und sah 18- und 19-jährige, die auf Stühlen standen und lauthals mitsangen: "Promenade, Promenade, ich bin froh das es dich gibt…"

Eurocityfest 2007

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